Deutschland zählt zu den Ländern mit hohem Gleichstellungsniveau: Frauen können wählen, studieren, arbeiten, Karriere machen, Eigentum besitzen. Doch auch hier bestehen nach wie vor strukturelle Benachteiligungen, die in Alltag, Beruf, Politik, Gesundheit, Sicherheit und im öffentlichen Raum sichtbar und spürbar sind.

Ein Überblick über die zentralen Bereiche — mit Fokus auf Arbeitsmarkt, Politik, Care-Arbeit, Medizin, Sicherheit, Gewalt, Belästigung und sexualisierte Übergriffe.


Arbeitsmarkt & Einkommen

  • Der Gender Pay Gap lag 2023 laut Statistischem Bundesamt (Destatis) unbereinigt bei ca. 18 %, bereinigt (also unter Berücksichtigung von Faktoren wie Berufswahl, Teilzeit) immer noch bei 6–7 %.

  • Frauen arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit (2022: etwa 47 % der Frauen, 10 % der Männer) und in schlechter bezahlten Branchen.

  • In Vorständen der größten deutschen Unternehmen lag der Frauenanteil 2023 unter 30 %.

Rente:

  • Frauen sind im Alter systematisch benachteiligt – und das nicht nur ein bisschen, sondern drastisch. Im Schnitt bekommen Frauen etwa 27 % weniger Altersrente als Männer – rund 18 600 € versus 25 600 € jährlich Hans-Böckler-Stiftung+7DIE ZEIT+7DIE WELT+7. Ohne Hinterbliebenenrenten wäre der Abstand noch extremer – bis zu 39 % Wikipedia+6DIE WELT+6Statistisches Bundesamt+6. Dazu kommt, dass jede fünfte Frau über 65 armutsgefährdet ist, bei Männern liegt der Anteil bei rund 16 % stern.de+10Statistisches Bundesamt+10DIE ZEIT+10. Besonders übel: In Westdeutschland ist die Lücke noch größer – Männer bekommen dort bis zu 52 % mehr Rente als Frauen DIE WELT+4cash-online.de+4DIE ZEIT+4. Ursachen? Klassische Rollenverteilung: Frauen verdienen weniger, arbeiten häufiger in Teilzeit, reißen Lücken für Kinder- und Pflegearbeit – und kassieren später deutlich weniger. Kurz: Wer früh aussteigt, bekommt am Ende weniger raus – und das trifft in erster Linie Frauen.

Politische Repräsentation

  • Im Bundestag liegt der Frauenanteil bei etwa 35 %, in Landes- und Kommunalparlamenten ähnlich niedrig.

  • Auf Spitzenpositionen in Parteien, Ministerien und Behörden dominieren Männer.


Care-Arbeit & Familie

  • Frauen leisten den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit: Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Haushalt.

  • Diese „unsichtbare Arbeit“ wird gesellschaftlich oft nicht ausreichend anerkannt und erschwert Karrieren.


Medizin & Gesundheit

  • Medikamente werden häufig nur an männlichen Probanden und Tiermodellen getestet.

  • Dosierungen und Nebenwirkungen sind für Frauen oft ungünstig, Herzinfarkte bei Frauen werden später erkannt und behandelt.

  • Frauen haben ein höheres Risiko für Fehldiagnosen oder verspätete Diagnosen bei Krankheiten wie ADHS, Autismus, Herz-Kreislauf-Leiden oder Depressionen.


Sicherheitstechnik & Crashtests

  • Crashtest-Dummies basieren überwiegend auf einem männlichen Durchschnittskörper (1,75 m, 78 kg).

  • Frauen sind kleiner, leichter, mit anderer Muskel- und Fettverteilung — was sie verletzungsanfälliger macht.

  • Frauen haben bei Autounfällen ein bis zu 47 % höheres Risiko, schwer verletzt zu werden.

  • Weibliche Dummies sind erst seit kurzem verfügbar und noch nicht verpflichtend.


Gewalt & Femizide

  • In Deutschland erlebt etwa jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt.

  • Laut Bundeskriminalamt (BKA) gab es 2023 etwa 155.000 Fälle von Partnerschaftsgewalt; etwa 80 % der Opfer sind Frauen.

  • Der Begriff Femizid bezeichnet die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts — meist durch (Ex-)Partner.

  • 2023 wurden in Deutschland mindestens 133 Frauen von (Ex-)Partnern getötet (BKA), vermutlich mehr, da viele Fälle verharmlosend als „Familiendrama“ beschrieben werden.


Sexualisierte Gewalt & Belästigung

Auch außerhalb von Beziehungen sind Frauen überproportional betroffen von sexueller Belästigung und Übergriffen:

  • Vergewaltigung & sexuelle Nötigung:
    Laut polizeilicher Kriminalstatistik (BKA, 2023) wurden in Deutschland über 9.500 Fälle von Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung angezeigt — mit hoher Dunkelziffer, da viele Betroffene aus Angst oder Scham nicht zur Polizei gehen.
    Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa 10–15 % der Fälle angezeigt werden.

  • Catcalling & Belästigung:
    Sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum („Catcalling“, anzügliche Kommentare, Pfeifen, Stalking, Bedrängen) betrifft laut einer EU-Studie bis zu 55 % der Frauen in Deutschland mindestens einmal im Leben.
    2020 führte eine Petition dazu, dass einige Städte Bußgelder für Catcalling eingeführt haben, aber bundesweit gibt es noch kein einheitliches Gesetz.


Fazit

Frauen in Deutschland sind rechtlich gleichgestellt, doch faktisch bestehen tief verwurzelte strukturelle Nachteile:

  • schlechtere Bezahlung & Karrierechancen,

  • geringe politische Repräsentation,

  • überproportionale Care-Arbeit,

  • Vernachlässigung in Medizin & Sicherheitstechnik,

  • höhere Gewalt- und Tötungsgefahr durch Partner,

  • hohe Betroffenheit von sexueller Belästigung, Catcalling und Vergewaltigung.

Viele dieser Probleme sind nicht Folge einzelner „schlechter Menschen“, sondern Ergebnis historischer Strukturen, unkritischer Normen und mangelnder Sensibilität in Forschung, Gesetzgebung und Gesellschaft.


Tipps für kritisches Prüfen & Handeln

✅ Achte auf Wortwahl in Medien: „Familiendrama“ verschleiert oft gezielte Gewalt.
✅ Hinterfrage Statistiken: Sind sie geschlechterdifferenziert? Wie hoch ist die Dunkelziffer?
✅ Prüfe bei Studien, ob Frauen angemessen berücksichtigt wurden.
✅ Nutze seriöse Quellen, z. B.: