Idiocracy – willkommen in der Zukunft, die keiner wollte
Als Idiocracy 2006 ins Kino kam, dachten viele: „Haha, wie absurd! Zum Glück wird die Menschheit niemals so dumm werden.“
Schnitt auf 2025: Willkommen in der Extended Edition.
Damals galt Mike Judges Film als überzeichnete Science-Fiction-Komödie: Eine Welt in 500 Jahren, in der Intelligenz so rar geworden ist, dass ein Durchschnittstyp aus 2005 der schlauste Mensch der Erde ist. Heute wirkt das weniger wie Satire – und mehr wie ein Spoiler.
Die Handlung: Aus Experiment wird Albtraum
Ein Soldat und eine Prostituierte werden in einem Militärversuch eingefroren. Geplant: maximal ein Jahr. Passiert: 500 Jahre. Als sie erwachen, ist die Menschheit durch jahrhundertelange Selbstverdummung an ihrem Tiefpunkt.
Fortpflanzungsvorteile hatten nicht etwa die Klügsten, sondern die Lautesten, Rücksichtslosesten und Unreflektiertesten. Bildung? Luxus. Wissenschaft? Lästig. Politik? Eine Mischung aus Wrestling-Show, Pornoästhetik und Dauerwerbesendung.
Im Film regiert ein Ex-Wrestler und Pornostar, Landwirtschaft wird mit einem Energydrink bewässert, weil er „Elektrolyte hat“, und das beliebteste TV-Format zeigt Menschen, die sich stundenlang in die Weichteile treten lassen.
Was der Film „übertrieben“ darstellte – und die Realität inzwischen locker mithält
Wissenschaft? Voll überbewertet!
Im Film: „Elektrolyte“ als Allheilmittel.
Heute: Klimawandelleugnung, Impf-Mythen, Homöopathie-Dogma – Hauptsache, irgendjemand im Netz hat’s gesagt.
Politik = Castingshow
Im Film: Ein Präsident, der mehr Zeit mit Posen als mit Regieren verbringt.
Heute: Wahlkämpfe, die eher an Reality-TV erinnern, mit Spitzenkandidaten, die lieber auf TikTok tanzen, als komplexe Konzepte zu erklären.
Konsum als Religion
Im Film: „Costco“-Megamärkte, in denen man alles bekommt – inklusive Jura-Studium.
Heute: Black Friday, Prime Day, Singles Day – und eine Kultur, in der „Nicht kaufen“ schon als Protesthandlung gilt.
Bildung ist etwas für Nerds
Im Film: Lesen ist ausgestorben.
Heute: Meme-Überschriften sind die neue Recherche, TikTok gilt als Nachrichtenquelle, und wenn ein Video länger als 20 Sekunden dauert, gilt es als „episch“.
Komplexe Probleme? Einfacher erklärt
Klimakrise? „Früher gab’s auch heiße Sommer.“
Energiekrise? „Bauen wir einfach ein paar Kraftwerke.“
Gesellschaftliche Spaltung? „Die anderen sind schuld.“
Die Realität hinkt nicht mehr hinterher – sie ist angekommen
Als Idiocracy 2006 veröffentlicht wurde, war George W. Bush Präsident. Donald Trump war noch ein Reality-TV-Gesicht. Heute posten Menschen unter politischen Meldungen Screenshots aus dem Film mit dem Hashtag #Idiocracy.
Und es passt: Anti-Intellektualismus ist kein Randphänomen mehr, sondern Mainstream. Die Lautesten bekommen das meiste Gehör, Fakten spielen eine Nebenrolle, und Politik wird wie ein viraler Clip inszeniert – möglichst kurz, möglichst laut, möglichst simpel.
Wer glaubt, wir seien noch weit entfernt von der Müllhalde der Zukunft, übersieht: Die Rutschbahn ist längst gebaut, wir sitzen schon drauf – und es geht bergab ohne Bremse.
Warum uns der Witz im Hals stecken bleibt
Das eigentlich Unheimliche: Würde man heute eine Fortsetzung drehen, in der die Figuren aus der Zukunft zurück in unsere Gegenwart reisen, müsste man kaum etwas erfinden. Wir hätten den gleichen Plot – nur ohne 500 Jahre Wartezeit.
Der Film war als Warnung gedacht. Wir behandeln ihn wie eine Bedienungsanleitung.
Und wenn wir weiter so konsequent daran arbeiten, unsere Aufmerksamkeitsspanne auf die Länge eines TikTok-Tanzes zu stutzen, dann schaffen wir es nicht nur, Idiocracy einzuholen – wir überholen es mit Vollgas.













