Radikalismus von rechts und links – warum Gleichsetzung gefährlich ist

Die Aussage, dass Radikalismus – egal von welcher Seite – ein Problem ist, kann man nur unterschreiben. Gewalt, Drohungen oder Zerstörung sind keine legitimen Mittel, um politische Meinungen durchzusetzen. Doch in der Debatte über Extremismus fällt immer wieder eine Gleichsetzung, die genauer betrachtet werden sollte: „Neonazis sind genauso schlimm wie die Antifa.“
Warum dieser Vergleich nicht greift, zeigt ein Blick auf Ideologie, Ziele und die Realität der Gewalt.


Radikalismus ist nicht gleich Radikalismus

Sowohl rechts- als auch linksextreme Gruppierungen bewegen sich außerhalb des demokratischen Konsenses. Doch die Ziele und Folgen unterscheiden sich fundamental.

Rechtsextremismus zielt auf Ausgrenzung, Einschüchterung und letztlich die Beseitigung von Menschenrechten für ganze Bevölkerungsgruppen. Die Ideologie basiert auf Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und autoritären Weltbildern.

Linksextremismus hingegen richtet sich gegen Staat, Kapitalismus und autoritäre Systeme. Gewalt von dieser Seite richtet sich in erster Linie gegen Institutionen und Sachwerte – nicht gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Identität. Damit wird diese Gewalt nicht entschuldigt, aber der Unterschied ist entscheidend.


Die Faktenlage: Woher kommt die Gewalt?

Die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) zeigt seit Jahren ein eindeutiges Bild:

  • 2023 wurden 60 028 politisch motivierte Straftaten erfasst.

    • Davon 28 945 mit rechtsextremem Hintergrund

    • 6 710 mit linksextremem Hintergrund
      (Quelle: BKA, PMK Statistik 2023)

  • Gewalttaten:

    • Rechts: 1 267 Gewaltdelikte

    • Links: 1 137 Gewaltdelikte
      Auffällig ist, dass rechtsextreme Taten deutlich häufiger gegen Personen gerichtet sind, linksextreme häufiger gegen Objekte.

  • Tödliche Gewalt:
    Seit 1990 sind in Deutschland laut Recherchen der Amadeu Antonio Stiftung mindestens 219 Menschen durch rechtsextreme Gewalt getötet worden.
    Todesopfer durch linksextreme Gewalt sind in diesem Zeitraum im niedrigen einstelligen Bereich dokumentiert.


Alltagserfahrungen: Wenn Ideologie zu Hass wird

Die abstrakten Zahlen spiegeln sich im Alltag wider. Rechtsextreme Ideologien sind längst nicht nur ein Problem am Rand der Gesellschaft:

  • Geflüchtete werden in Unterkünften bedroht oder angegriffen.

  • Kinder mit Migrationshintergrund werden im Alltag beleidigt und ausgegrenzt.

  • Queere Menschen erleben verbale und körperliche Angriffe, wenn sie sichtbar ihre Identität zeigen.

Diese Übergriffe kommen oft nicht von organisierten Neonazis, sondern von Menschen, die sich selbst nicht als rechts sehen, aber rassistische oder homophobe Denkweisen verinnerlicht haben. Hier machen rechtspopulistische Parteien wie die AfD solche Einstellungen gesellschaftsfähig.


Linksextreme Gewalt – ernst zu nehmen, aber anders gelagert

Gewalt aus dem linksextremen Spektrum richtet sich vor allem gegen Institutionen oder gegen Personen, die als Teil rechter Strukturen wahrgenommen werden.
Beispiele:

  • Angriffe auf Polizist:innen bei Demonstrationen

  • Sabotageaktionen gegen Unternehmen oder Baustellen

  • Angriffe auf rechte Veranstaltungen oder Immobilien von Rechtsextremen

Solche Taten sind strafbar und müssen verfolgt werden. Doch die Dimension ist eine andere als bei rechtsextremen Straftaten, die gezielt Angst unter Minderheiten und Andersdenkenden verbreiten sollen.


Warum Gleichsetzung gefährlich ist

Die Aussage „Rechtsradikale sind genauso schlimm wie Linksextreme“ klingt ausgewogen, verharmlost aber die Gefahr des Rechtsextremismus. Denn:

  1. Rechtsextreme Ideologien sind historisch erwiesen menschenverachtend und haben zu systematischem Massenmord geführt.

  2. Die Zahl der Opfer rechtsextremer Gewalt ist in Deutschland um ein Vielfaches höher.

  3. Die gesellschaftliche Wirkung von rechter Hetze ist breiter: Sie beeinflusst politische Diskurse und macht Intoleranz normal.


Verantwortung aller Demokrat:innen

Es ist wichtig, Gewalt von jeder Seite zu verurteilen. Doch Demokrat:innen müssen besonders wachsam sein, wenn es um rechte Ideologien geht, weil diese fundamentale Menschenrechte angreifen.
Ob im Alltag, in sozialen Netzwerken oder bei Demonstrationen: Wegsehen hilft nicht.


Quellen