Sie gurren auf Marktplätzen, sitzen auf Brückengeländern oder flattern durch enge Gassen: Stadttauben sind allgegenwärtig. Für viele gelten sie als „Ratten der Lüfte“, für andere sind sie faszinierende Begleiter. Ein genauerer Blick zeigt: Diese Tiere sind weit mehr als ein Ärgernis – sie sind intelligente, soziale Wesen, die durch den Menschen in unsere Städte gebracht wurden und dort oft unter schwierigen Bedingungen leben.


Intelligenz und soziale Bindung

Tauben sind erstaunlich lernfähig:

  • Sie können Gesichter erkennen und über Jahre hinweg unterscheiden.

  • Im Spiegeltest – einem Maß für Selbstwahrnehmung – haben sie bestanden, was nur wenigen Tierarten gelingt.

  • Sie merken sich Wege und finden über große Distanzen zurück zu vertrauten Orten.

Zudem leben Tauben in stabilen Partnerschaften. Einmal gefunden, bleiben Paare meist ein Leben lang zusammen. Gemeinsam kümmern sie sich um die Brut – ein Verhalten, das in der Tierwelt selten ist.


Fürsorgliche Eltern

Besonders bemerkenswert ist die sogenannte Kropfmilch: Sowohl Taubenweibchen als auch -männchen bilden diese hoch nährstoffreiche Flüssigkeit, um ihre Küken zu füttern. Damit leisten beide Elternteile einen intensiven Beitrag zur Aufzucht – ein eindrucksvolles Beispiel für Fürsorge und Kooperation.


Leid im Stadtraum

So viel Intelligenz und Sozialleben – und doch sind die Lebensumstände vieler Stadttauben hart:

  • Sie ernähren sich oft von Essensresten, die für sie ungeeignet sind.

  • Viele Tiere leiden an Krankheiten oder Verletzungen durch Abwehrmaßnahmen wie Netze und Spikes.

  • Ohne geregelte Brutplätze geraten sie in Stress und produzieren dennoch mehrere Gelege pro Jahr – ein Teufelskreis von Überbevölkerung und Hunger.

Hier zeigt sich ein Widerspruch: Der Mensch hat die Tauben domestiziert, sie in seine Städte gebracht – und lässt sie nun oft verwahrlosen.


Mythen und Fakten über Stadttauben

🔹 Mythos 1: „Tauben sind gefährliche Krankheitsüberträger.“
Fakt: Tauben können wie alle Tiere Krankheitserreger in sich tragen. Für gesunde Menschen besteht jedoch nur ein geringes Risiko. Infektionen durch Stadttauben sind selten; die meisten Erreger sind artspezifisch oder werden nur bei engem, unhygienischem Kontakt problematisch.

🔹 Mythos 2: „Tauben vermehren sich unkontrolliert, egal was man tut.“
Fakt: Die Zahl der Jungtiere hängt stark vom Nahrungsangebot ab. Werden Tauben gefüttert und finden sie viele Brutplätze, steigt die Population. In betreuten Schlägen mit kontrolliertem Futter und Eieraustausch sinkt sie dagegen deutlich.

🔹 Mythos 3: „Tauben sind dumm.“
Fakt: Studien zeigen das Gegenteil. Tauben erkennen Gesichter, können Formen unterscheiden, einfache Zahlenkonzepte erfassen und im Spiegel eigene Körpermerkmale identifizieren. Ihre kognitive Leistung ist höher, als viele vermuten.

🔹 Mythos 4: „Tauben gehören nicht in die Stadt.“
Fakt: Stadttauben sind vom Menschen gezüchtete Tiere, die ohne uns gar nicht entstanden wären. Sie sind ein „Nebenprodukt“ unserer Kulturgeschichte und daher ein Stück Mitverantwortung für uns alle.


Wege zu einem besseren Miteinander

Es gibt Alternativen zum bloßen Vertreiben:

  • Betreute Taubenschläge ermöglichen eine tierschutzgerechte Versorgung und Kontrolle der Population durch den Austausch von Eiern.

  • Gezielte Fütterung verhindert Mangelernährung und reduziert die Verunreinigung im öffentlichen Raum.

  • Aufklärung hilft, Vorurteile abzubauen und die Tiere nicht als Schädlinge, sondern als Mitgeschöpfe zu betrachten.

In Städten, die solche Konzepte umsetzen, zeigt sich: Sauberkeit und Tierschutz schließen sich nicht aus – im Gegenteil, sie ergänzen sich.


Stadttauben sind keine „Ratten der Lüfte“, sondern hoch entwickelte Vögel mit erstaunlichen Fähigkeiten, sozialem Leben und einer Geschichte, die untrennbar mit uns Menschen verbunden ist.
Ein respektvoller Umgang bedeutet, ihre Intelligenz und Fürsorge zu erkennen – und Lösungen zu schaffen, die sowohl den Bedürfnissen der Stadt als auch dem Wohl der Tiere gerecht werden.

Die Süße Beziehung zwischen Malte Zierden und der Taube Oßcar