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Seit Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht, Soja könne Krebs fördern. Doch aktuelle Studien zeichnen ein ganz anderes Bild. Warum hält sich diese Falschinformation – und was steckt wirklich dahinter?
Woher das Gerücht kommt
In den 1990er-Jahren machten Tierstudien Schlagzeilen: Ratten, die extrem hohe Mengen sogenannter Isoflavone aus Soja erhielten, entwickelten schneller Tumore. Das Problem: Ratten verstoffwechseln Isoflavone anders als Menschen. Zudem waren die eingesetzten Mengen absurd hoch – beim Menschen entspräche das mehreren Kilo Tofu täglich.
Trotzdem blieb die Schlagzeile hängen: „Soja fördert Krebs.“
Pflanzliches Hormon – schwaches Echo, kein Risiko
Isoflavone sind pflanzliche Hormone, die dem menschlichen Östrogen ähneln. Viele Ärzte befürchteten daher: Könnten sie hormonabhängige Tumoren „füttern“?
Heute weiß man: Isoflavone wirken deutlich schwächer als körpereigenes Östrogen – und können dessen Effekte sogar blockieren. Studien zeigen:
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Frauen mit regelmäßigem Sojakonsum haben ein geringeres Brustkrebsrisiko.
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Brustkrebs-Überlebende, die Soja essen, erleiden seltener Rückfälle.
Wie viel Soja ist normal?
Eine Portion Sojamilch (250 ml) oder 100 Gramm Tofu liefern etwa 20–30 Milligramm Isoflavone. In Asien sind 50 Milligramm täglich üblich – ohne dass Krebsraten steigen.
Um die Dosen aus den alten Rattenstudien zu erreichen, müsste ein Mensch mehrere Kilo Soja pro Tag essen. Mit normaler Ernährung ist das unmöglich.
Warum hält sich das Gerücht?
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Ärztliche Vorsicht: In Zeiten unsicherer Datenlage warnten Onkologen lieber pauschal ab. Manche tun es bis heute.
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Missverständnis: „Östrogenähnlich“ wurde vorschnell mit „krebsfördernd“ gleichgesetzt.
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Präparate statt Lebensmittel: Schlagzeilen zu hochdosierten Isoflavon-Kapseln wurden unkritisch auf Tofu & Co. übertragen.
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Lobbyinteressen: Soja ist eine zentrale Alternative zu Fleisch und Milch. Für Teile der Tierindustrie war es attraktiv, Zweifel an der Sicherheit zu säen.
„Die Vorstellung, dass Soja Krebs verursacht, basiert auf Missverständnissen. Wer normale Mengen Tofu oder Sojamilch isst, hat nichts zu befürchten – im Gegenteil.“
So viel Soja müsste man essen, damit ein potentielles Krebsrisiko besteht
Normale Verzehrmenge
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1–2 Portionen täglich sind völlig im grünen Bereich.
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Beispiele:
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1 Glas Sojamilch (250 ml)
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100 g Tofu
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50 g Tempeh oder Edamame
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Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und die American Cancer Society stufen diesen Konsum als sicher ein – auch für Krebspatient*innen.
Fleisch vs. Soja: Krebsrisiko im Vergleich
Fleisch
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Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm):
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WHO stuft „wahrscheinlich krebserregend“ ein (Gruppe 2A).
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Höheres Risiko für Darmkrebs bei regelmäßigem Konsum.
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Verarbeitetes Fleisch (Wurst, Schinken, Speck):
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WHO stuft als „krebserregend“ ein (Gruppe 1).
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Klare Belege für erhöhtes Darmkrebsrisiko. Schon 50 g täglich erhöhen das Risiko um ca. 18 %.
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Soja
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Sojaprodukte (Tofu, Sojamilch, Tempeh, Edamame):
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Keine Belege für Krebsrisiko.
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Viele Studien zeigen sogar: niedrigeres Risiko für Brust- und Prostatakrebs bei regelmäßigem Konsum.
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Positive Effekte bei Brustkrebs-Überlebenden (geringere Rückfallrate, bessere Überlebensraten).
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Frühere Studien, die das Gerücht genährt haben
Diese Arbeiten stammen vor allem aus den 1990ern und basierten auf Tiermodellen mit unrealistischen Isoflavonmengen:
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Allred et al. (2001): Soy diets containing varying amounts of genistein stimulate growth of estrogen-dependent tumors in mice. – Cancer Research 61(13): 5045–5050.
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Fritz et al. (1998): Dietary genistein and mammary tumor growth in rats. – Cancer Research 58(19): 4237–4243.
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Ju et al. (2001): Genistein and daidzein in rodent diets and their estrogenic activities in mice. – Journal of Nutrition 131(11): 2838–2846.
👉 Problem: Tierstudien, Isoflavonmengen weit über dem, was ein Mensch jemals aufnehmen könnte.
Neuere Studien & Metaanalysen, die Entwarnung geben
Diese Arbeiten zeigen: Normale Sojaaufnahme ist nicht krebserregend, teilweise sogar protektiv.
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Shu et al. (2009): Soy food intake and breast cancer survival. – JAMA 302(22): 2437–2443.
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Zhang et al. (2012): Soy food consumption is associated with longer survival in breast cancer patients. – American Journal of Clinical Nutrition 96(1): 123–132.
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Nechuta et al. (2012): Soy food intake after diagnosis of breast cancer and survival: pooled analysis of 9,514 patients. – American Journal of Clinical Nutrition 96(1): 123–132.
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Fritz et al. (2013): Soy isoflavones and breast cancer risk: a meta-analysis of observational studies. – Breast Cancer Research and Treatment 137(3): 907–919.
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Applegate et al. (2018): Soy consumption and breast cancer risk in women: a pooled analysis of cohort studies. – International Journal of Cancer 143(5): 1183–1192.
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World Cancer Research Fund / American Institute for Cancer Research (WCRF/AICR) (2018): Diet, Nutrition, Physical Activity and Breast Cancer. – Global Report.
👉 Konsens: Normale Sojaprodukte sind sicher, auch für Brustkrebs-Patientinnen.














